alte Sammlung von Postkarten, Briefen und einem Atlas ausgebreitet auf einem Tisch

Warum wird eine Nachlasspflegschaft eingerichtet?

Ein Nachlasspfleger wird dann von einem Gericht bestellt, wenn Erben nicht bekannt sind und der Nachlass sicherungsbedürftig ist.

Die Erbfolge ist in vielen Fällen nicht klar geregelt oder nachweisbar. Ist die Erbengemeinschaft gänzlich oder zum Teil unbekannt, kann vom örtlich zuständigen Nachlassgericht ein Nachlasspfleger bestellt werden. Die Auswahl und Bestellung eines Nachlasspflegers ist in § 1960 und § 1961 BGB geregelt.

In der Regel umfasst die Nachlasspflegschaft die Aufgabenbereiche:

Sicherung und Verwaltung des Nachlasses
Ermittlung unbekannter Erben

Nachlasssicherung und Nachlassverwaltung in der Nachlasspflege

Zu Beginn jeder Nachlasspflegschaft verschafft sich der Nachlasspfleger einen Überblick über den Nachlassbestand und erstellt ein Nachlassverzeichnis, in dem die Aktiva und Passiva (Vermögenswerte und Verbindlichkeiten) des Nachlasses erfasst werden.

Zentrale Aufgabe des Nachlasspflegers ist die Sicherung des Nachlasses und all seine Bestandteile. Die Sicherung beinhaltet beispielsweise leerstehende Immobilien gegen Witterungsschäden abzusichern, Finanzanlagen des Erblassers gegen unbefugte Verfügungen zu sperren, Kontobewegungen zu überprüfen, nicht mehr benötigte Versicherungen und Verträge zu kündigen und Wertgegenstände wie z.B. Schmuck vor Fremdzugriffen zu schützen.

Nach den ersten Sicherungsmaßnahmen erfolgt die Verwaltung des Nachlasses über die Dauer der Pflegschaft. Leerstehende Immobilien werden regelmäßig kontrolliert, für vermietete Objekte müssen Nebenkostenabrechnungen erstellt, Pachtverträge verwaltet und Erträge aus Gesellschafts-beteiligungen dem Nachlass zugeführt werden.

Besaß der Erblasser noch ein aktives Unternehmen, ist - im Sinne der unbekannten Erben - über eine Fortführung oder Betriebsschließung zu entscheiden.

Ist der Nachlass überschuldet, muss über eine mögliche Nachlassinsolvenz oder ein Gläubigeraufgebot entschieden werden. Gehört zum überschuldeten Nachlass ein laufender Betrieb ist oft mit komplexen Sachverhalten umzugehen, z.B. Kündigung von Mitarbeitern, Leasing- und Mietverträgen, betrieblichen Verbindlichkeiten und Forderungen gegenüber Dritten.

Nahaufnahme einer Szene einer Modelleisenbahnlandschaft mit Miniaturmenschen bei der Arbeit

Ermittlung unbekannter Erben in der Nachlasspflege

Sofern der Nachlass überschuldet oder dürftig ist, unterbleibt normalerweise die Erbenermittlung.
Sind hingegen ausreichend Aktivwerte (Vermögen) vorhanden, ist es Aufgabe des Nachlasspflegers zu ermitteln, wem der Nachlass zufällt. Vorrangig muss das mögliche Vorhandensein eines Testamentes geprüft werden.

Ist kein Testament vorhanden und die Erbengemeinschaft nicht oder nur teilweise bekannt, ist es Aufgabe des Nachlasspflegers, die gesetzlichen Erben zu ermitteln. Die Erbfolge ist durch die §1922ff BGB geregelt.

Gesetzliche Erbfolge

Stirbt ein Erblasser unter Hinterlassung von Kindern, tritt die sogenannte erste Erbordnung in Kraft, d.h. diese sind zu Erben berufen und schließen entferntere Verwandte aus. Sind keine Kinder vorhanden, erben die (noch lebenden) Eltern des Erblassers bzw. deren Abkömmlinge, im Regelfall also Geschwister oder ersatzweise Nichten und Neffen (sog. zweite Erbordnung).

Sind Erben zweiter Erbordnung nicht vorhanden, kommen die Abkömmlinge der Großeltern als Erben in Betracht (Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins etc.), es greift die sog. dritte Erbordnung.
Eine Begrenzung der Erbordnung gibt es in Deutschland nicht, Nachlassfälle bis hin zu Erben der vierten Erbordnung sind keine Seltenheit.

Oft führen die Recherchen auch heute noch bis weit in das 19. Jahrhundert zurück.

Die Erbenermittlung ist erst abgeschlossen, wenn alle Erben ermittelt und urkundlich dokumentiert sind. Gerade bei größeren Familien können für einen lückenlosen Erbnachweis 300 und mehr Urkunden erforderlich sein.

Je nach Umfang und Komplexität des Nachlasses kann es im Interesse der Erben sein, die Erbenermittlung durch ein professionelles Erbenermittlungsunternehmen zu realisieren. Hierbei ist zu beachten, dass die Kosten der Erbenermittlung innerhalb der Nachlasspflegschaft aus der Nachlassmasse zu finanzieren sind.

Hier muss also im Hinblick auf die Konstellation der Erbengemeinschaft und die vorhandene Liquidität entschieden werden, ob die Erbenermittlung aus der Nachlasspflegschaft oder - kostenneutral für den Nachlass - von einem Erbenermittler durchzuführen ist. Dies bedeutet, dass die Kosten zu Lasten der ermittelten Erben gehen und nicht zu Lasten des Nachlasses.

Nahaufnahme eines von hinten beleuchteten Modellflugzeugs auf einem Holztisch

Vorgehensweise und Ziel in der Nachlasspflege

Die Nachlasspflegschaft endet mit der Aushändigung des Nachlasses an die nachlassgerichtlich festgestellte Erbengemeinschaft.

Prinzipiell ist der Nachlass bis zur nachlassgerichtlichen Feststellung der Erbengemeinschaft zu verwalten. Über die Nachlassverwaltung hat der Nachlasspfleger in regelmäßigen Abständen gegenüber dem Nachlassgericht Rechenschaft abzulegen. Innerhalb der ersten drei Monate erstellt der Nachlasspfleger ein Nachlassverzeichnis und legt dieses dem Nachlassgericht vor. Veränderungen des Nachlassbestandes müssen in Folge regelmäßig transparent und belegbar dokumentiert werden. Die Tätigkeit des Nachlasspflegers unterliegt der Kontrolle und Überprüfung durch das Nachlassgericht.

Der Nachlass ist hierbei nach Möglichkeit in seinem Bestand so zu erhalten, wie er vom Nachlasspfleger vorgefunden wurde.

Der Nachlasspfleger darf nur im Ausnahmefall die Zusammensetzung des Nachlasses verändern, z.B. wenn keine Liquidität mehr gegeben ist. Ansonsten darf der Nachlasspfleger im Rahmen der Nachlasspflegschaft keine Immobilien veräußern oder Konten auflösen oder zusammenführen.

Nachdem die Erben ermittelt wurden und alle Beweismittel vorliegen, kann das Erbscheinverfahren eingeleitet werden. Sobald der Erbschein erteilt wird, endet im Regelfall die Pflegschaft und der Nachlasspfleger händigt den verwalteten Nachlass an die Erben gemeinschaftlich aus (§ 1890 BGB).

Oft bestehen Erbengemeinschaften aus zahlreichen Mitgliedern, die in großer räumlicher Distanz zueinander oder gar im Ausland wohnhaft sind. Zudem stehen Mitglieder von Erbengemeinschaften ab der dritten Erbordnung zum großen Teil in keinerlei verwandtschaftlicher Beziehung und sind einander nicht bekannt. Die Aushändigung eines Nachlasses muss dem Gesetz nach „gemeinschaftlich“ erfolgen und kann je nach Zusammensetzung des Nachlasses und der Größe der Erbengemeinschaft zu einem komplexen Unterfangen werden. Bedingung für eine rechtliche korrekte Übergabe ist eine enge Absprache und ein einheitliches Agieren aller Mitglieder der Erbengemeinschaft.

Vergütung der Nachlasspflege

Die Vergütung der Tätigkeit eines Nachlasspflegers richtet sich nach unterschiedlichen Kriterien und sind in § 1915 BGB geregelt. Bei mittellosen Nachlässen erfolgt die Vergütung aus der Staatskasse. Ist der Nachlass werthaltig, sind die anfallenden Kosten des Nachlasspflegers aus diesem Nachlass zu begleichen.